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 Burkina Faso
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Marktstand für Fleisch in Burkina Faso.             Kochen in ärmsten Verhältnissen.

Rauschende Befreiungsfeste und
bittere Ernüchterung

Von Tim In der Smitten

Ougadougou/Mönchengladbach. Alles ist schmutzig und staubig. Die Straßen von Ougadougou, der Haupstadt Burkina Fasos, sind vollgestopft mit Ruß spuckenden Autos und haben so große Schlaglöcher, dass man sich darin mühelos verstecken könnte. Jeder Schritt der beiden weißen Männer wird beobachtet, sie werden als lohnenden Opfer taxiert. Dass diese Reise beschwerlich und gefährlich werden würde, war Hans Grips und seinem Freund klar. Als aber schon wenige Kilometer außerhalb der Hauptstadt Burkina Fasos quer auf der Staubpiste liegende Stahlträger jede Weiterfahrt des gemieteten Renault R4 unmöglich machten und aus dem Gebüsch am Straßenrand schwer bewaffnete Guerrilla-Kämpfer sprangen, schien die mit so viel Idealismus gestartete Hilfsaktion an diesem öden und kargen Ort zu enden.
Dutzende Gedanken schossen ihm durch den Kopf. War er zu leichtsinnig,
ohne jede Vorkenntnisse in das bettelarme, westafrikanische Land zu reisen? Werde ich meine Familie in Willich jemals wiedersehen? Doch Grips und sein Freund hatte unbeschreibliches Glück. Dank des Verhandlungsgeschick seines einheimischen, am Flughafen angeheuerten Fahrers und Dolmetschers und etwas „Straßenbenutzungsgebühr“ räumten die schwer bewaffneten Untergrundkämpfer die Straßenbarriere beiseite und ließen den Wagen passieren.

Das war vor 17 Jahren der Anfang der Hilfe für Burkina Faso durch eine private Hilfsorganisation aus Willich. Diese Organisation, die aus rund 50 befreundeten Familien um das Ehepaar Marlies und Hans Grips besteht, hat in der Sahelzone eine Partnerschaft aufgebaut. Begonnen hat alles im Jahr 1985, als befreundete Ehepaare abends im Hause Grips gemeinsam die Nachrichten sahen. „Äthiopien, Eritrea und andere afrikanische Staaten wurden in diesem Jahr von einer verheerenden Katastrophe heimgesucht. Hunderte Menschen, darunter vor allem unzählige Kinder, verhungerten, weil es seit Monaten nicht geregnet hatte und mehrere Jahre hintereinander nichts geerntet werden konnte“, erzählt Hans Grips. Das war der Moment, als bei den befreundeten Ehepaaren die Idee aufkam, zu helfen.

Von Anfang an sei eins dabei klar gewesen: „Wir wollten eine lebendige, zielgerichtete Partnerschaft und die unterstützten Projekte auch selbst kontrollieren“, erläutert Grips die Idee der Initiative. Von der Welthungerhilfe, an die sich die Familien wandten, wurden sie auf das Elend in Burkina Faso hingewiesen. „So kam es zu der ersten Reise in das westafrikanische Land. In Zogoré sollten wir mit einer Kontaktperson der Welthungerhilfe zusammentreffen.“

In den folgenden Jahren erlebten das Ehepaar Grips und alle befreundeten Ehepaare, die bisher in Zogoré waren, rauschende Befreiungsfeste und bittere Ernüchterung, neue Putsche und neue Versprechungen, erbarmungslose Epidemien und Machtkämpfe, ausufernde Verbrechen und selbstzerstöreriche Korruption. All das wäre geeignet, die Familien aus Willich aufgeben zu lassen. Doch sie hatte ein Virus gepackt, der für den, der nie in der Sahelzone war, wohl nur schwer nachvollziehbar ist. Denn es ist nicht die Politik oder das Geld, was hierher lockt. Es sind die kleinen Leute. Zwar treffen die Niederrheiner bei ihren Reisen nach Burkina Faso auch auf die guten Demokraten und die noch besseren Despoten, doch stets fühlen sie sich dem liebenswerten Tumult des Alltags näher. Wenn man dem Ehepaar Grips zuhört, wie sie mit leuchtenden Augen von den Eindrücken in Afrika berichten, dann ahnt man, was so faszinierend an diesem Land ist. Es ist eine arme, simple und auf die einfachen Dinge des Lebens reduzierte Welt. Eine Welt, in der das Hemd am Körper, eine Schüssel Reis oder auch nur ein einziger Schluck Wasser ein Leben ausmachen können.
Lange bevor morgens die Sonne aufgeht sind Frauen und Mädchen schon unterwegs, um nach Kilometern ihr kostbares Wasser zu finden und die bis 40 Kilo schweren Krüge auf dem Kopf zurück zu tragen.

Als Hans Grips nach der nervenaufreibenden Fahrt schließlich das erste Mal in Zogoré ankam und sich auf die Suche nach seiner Kontaktperson machte, bestätigten sich alle Warnungen, die er erhalten hatte: Straßenkinder umringten ihn, den Weißen, bettelten ihn an. Sie streckten ihm ihre schmutzigen kleinen schwarzen Hände entgegen. Aber zur Erleichterung der Deutschen bleibt die Stimmung friedlich, fast freundlich. „In diesem Augenblick entschlossen wir uns, in dieser Sahelzonen-Region Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

Seit dem sind mit dem Geld der Willicher Initiative unzählige Brunnen gebohrt und Grundschuleinrichtungen aufgebaut worden. Und in diesem Jahr wurde die erste weiterführende Schule in der Region eröffnet. „Mit der größte Erfolg ist es, dass sich die Bewohner diese Schule selber gewünscht haben“, sagt Marlies Grips. Und Elmar Grevel, der Finanzverwalter der Familienhilfe, berichtet, dass die bisher 600.000 Euro eingesetzt wurden. „Und fünf Grundschuljahre versetzen die Kinder in eine Lage, ihrere Familie finanziell zu unterstützen“, so Grevel weiter.

Der Erfolg lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Vor 1985 fanden nur 150 Kinder der 25.000-Einwohner-Region den Weg in die wenigen aus einfachsten Lehmhütten bestehenden Grundschulen. Heute sind es bis zu 2000, die in Steinbauten Unterricht bekommen.

Leider kämpfen die „Entwicklungshelfer“ von Niederrhein jetzt mit einem anderen Problem. „Viele Kinder sind heute gebildeter, als ihre Eltern, wodurch das gemeinsame Familienleben problematisch wurde. Daher haben viele Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule geschickt“, so Hans Grips. „Würden wir aber Mittagessen in den Schulen anbieten können, wären die Klassen sicher voll“, ergänzt er. Daran will man jetzt arbeiten.

Zahlen und Fakten über Burkina Faso:

Die ehemalige französische Kolonie Burkina Faso (übersetzt: Land der unbestechlichen Männer) ist seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 präsidiale Republik. Das Land, dass bis 1984 Republik Obervolta, nach dem Hauptfluss des Landes (Volta) hieß, hat 11,6 Millionen Einwohner und ist etwas größer als Großbritannien. Die ersten freien Wahlen gab es 1992. Die Lebenserwartung liegt bei 47 Jahren, die Kindersterblichkeit bei 16,9 Prozent. 81 Prozent der Einwohner sind Analphabeten.
 

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